Wie sich Gurus nach Fehlprognosen aus der Affäre ziehen

Am 22. Oktober 1844 sollte die Welt untergehen. So zumindest war die Prophezeiung von William Miller, der sich selbst zum Prediger ernannt und das Jüngste Gericht vorausgesagt hatte. Beschrieben ist diese Geschichte im Buch “Being Wrong”. [1] Ein super Lesetipp übrigens!

Da wir heute immer noch hier sind, scheint die Sache damals nicht geklappt zu haben. Eine klassische Fehlprognose. So etwas gab es in der Geschichte immer wieder. Zwar eher selten für schlimme Dinge wie den Weltuntergang, aber ziemlich oft an der Börse für alle Arten von Crash-Szenarien (die dann fast nie eintraten).

Das jüngste Beispiel war die Prophezeiung des Börsengurus Martin Armstrong. Er sagte voraus, dass es am 17. Oktober einen großen Börsencrash geben werde. [2] Was durch die Medien wie immer panikartig verbreitet wurde, aber dann nicht eintrat. Vielleicht lag das auch daran, dass der erwartete Crash-Tag auf einen Samstag fiel, an dem die Börse geschlossen ist :)

Aber ich möchte heute nicht über den (Un)Sinn von Prophezeiungen schreiben. Sondern über die erstaunliche Tatsache, dass es einige ziemlich gute Ausreden gibt, um sich Fehlprognosen im Nachhinein schön zu reden.

Im Buch “Being Wrong” sind diese Dinge am Beispiel der Weltuntergangs-Prophezeiung beschrieben. Das Ganze lässt sich super auf die Ausreden der Börsengurus übertragen. Besonders interessant ist, dass diese Tricks es ermöglichen, den Glauben nach einer Fehlprognose kaum zu erschüttern (oder ihn sogar noch zu stärken).

Time-Frame Defense

Das ist eine der häufigsten und einfachsten Ausreden, die wohl jeder schonmal gehört hat. Das Motto: Die Prognose stimmt – nur wird sie wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Wenn der Crash also im Oktober 2015 nicht kam, dann eben im Oktober 2016.

Near-Miss Defense

Dieser Ansatz ist schon etwas geschickter: Die Prognose trat nicht ein wie erwartet, aber es wäre beinahe passiert. Man gibt ein bisschen zu, daneben gelegen zu haben, aber rechtfertigt sich damit, dass es sehr knapp war. Was natürlich nichts anderes als eine Ausrede ist. Ganz nach dem Motto “wenn ich nicht falsch gelegen hätte, hätte ich richtig gelegen”.

Out-of-Left-Field Defense

Noch etwas besser ist Ausrede Nummer 3. Die Prognose wäre eingetreten, aber ein unvorhersehbares Ereignis hat den natürlichen Lauf der Dinge beeinflusst. Für die Crash-Prognose von Martin Armstrong könnte dies bedeuten, dass der Einbruch im August den Crash im Oktober vorweggenommen bzw. das Potenzial dafür abgebaut hat. Da keiner weiß, was passiert wäre, hätte es den August-Rücksetzer nicht gegeben, ist das eine ganz gute Ausrede. Man behauptet einfach, dass es dann sicher zum prophezeiten Crash gekommen wäre.

Blaming other People

Das klappt bei Börsenprognosen meist nicht so gut, ist aber denkbar. Man könnte in seiner Prognose Informationen anderer “wissender” Marktteilnehmer einbauen und dann die Schuld auf diese abwälzen, wenn es anders kommt als vorausgesagt. Ganz nach dem Motto “die Prognose war falsch – aber nur, weil ich mich auf Leute verlassen habe, die daneben lagen”.

Better Safe than Sorry Defense

Wenn alles nichts hilft, kann man eine Fehlprognose auch zugeben und sie danach mit einem großen “Aber” aus Sicht des eigenen Gewissens relativieren. Die Idee dabei: Die Prognose war falsch, aber es war richtig, diesen Fehler zu machen. Es war meine Pflicht, das zu sagen, was ich wirklich geglaubt habe. Es war einfach wichtig, dass die Welt weiß, dass ich mit einem Börsencrash am 17. Oktober gerechnet habe.

Egal, ob am Aktienmarkt, in der Politik oder bei Glaubensgruppen – diese Techniken werden immer wieder gern eingesetzt. Eines dagegen lässt sich nur selten beobachten. Ein Guru, der nach einer Fehlprognose einfach zugibt: “Ja, meine Prognose war falsch”. Ohne danach mit “Aber…” weiterzureden und sich zu rechtfertigen.

Und was ist der Grund für all die Ausreden? Falsch zu liegen fühlt sich unangenehm an. Es kratzt an unserem Ego. Und es setzt uns der Gefahr von Kritik aus.

Aber dennoch, an der Börse werden wir immer wieder mal falsch liegen. Und das bietet am Ende vor allem eines: Die Chance, aus unseren Fehlern zu lernen und uns immer weiter zu verbessern. Dazu müssen wir bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, Fehler zu akzeptieren und das Bese daraus zu machen.


Quellen:
[1] Schulz, K. (2011), Being Wrong, Adventures in the Margin of Error, Ecco / HarperCollins, S. 201-219.
[2] Sturm, R. (2015), Der nächste Crash kommt am 17. Oktober, Zugriff am 29.10.2015,

http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/boer ... 16664.html

Marko Momentum