Ein Trader, der nur short geht
Kennen Sie Jim Chanos? Nein? Jim dürfte wohl einer der bekanntesten Trader sein, dessen Hedgefonds, Kynikos Associates, darauf ausgerichtet ist, ausschließlich Leerverkäufe zu tätigen. Jim kauft keine Aktien. Er verkauft sie. Und das macht er seit 1985 sehr erfolgreich, ungeachtet dessen ob der generelle Markt steigt oder fällt.
Der Fall Enron
Richtig berühmt wurde er mit einer Short-Wette auf die Aktie Enron, längst bevor der Betrug des Managements aufflog. Gewiefte Shortseller sind also auch gute Detektoren für alle Arten von Betrugsfällen. Oder sie spüren Geschäftsmodelle auf, die nicht nachhaltig sind, und deren Aktienpreise mitnichten dem wahren Wert des Unternehmens widerspiegeln.
Short gehen
Nun steht der Begriff Shortselling in den USA primär für den Leerverkauf von Aktien. Hierzulande hat sich eher der Begriff „Shorting“ durchgesetzt. Beim Shorten versucht der Trader mittels passender Finanzprodukte von fallenden Märkten oder Aktien zu profitieren. Diese Finanzprodukte können Futures, Optionen, Devisen oder auch CFDs (Contracts for Difference) sein.
Eine Position glattstellen
So könnte sich zum Beispiel ein Investor, der eine Short-Position im Crude-Oil-Future zu einem Preis von 70 US$ eröffnet hätte, heute über satte Gewinne freuen (aktueller Stand: 30,25 US $). Damit er seine Gewinne aber auch realisieren kann, muss er seine Position im Öl-Future schließen. Da er also verkauft hat, muss er die Anzahl leerverkaufter Kontrakte am Markt zurückkaufen. Damit hat er seine Position glattgestellt.
Crude Oil, Wochen-Chart
Sie sehen einen Screenshot des WTI-Öl-Futures der letzten zwei Jahre. Die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (70 US $) und dem Kaufpreis (30,25 US $) ist der Gewinn des Traders. In diesem Fall 39,75 US $. Da aber die Tick Größe des Kontrakts bei 0,01 US $ und der Wert pro Tick bei 10 US $ liegt, fallen also 1000 US $ Gewinn oder Verlust an, wenn der Kontrakt 1 US $ steigt oder fällt. In diesem Fall hätte der Investor einen Gewinn von 39.750 US $ pro leerverkaufter Kontrakt realisiert (wir lassen das Rollen der Futures-Kontrakte außer Betracht).
Das Instrumentarium eines Traders
Was einem Investor offensteht, ist für einen kurzfristig orientierten Trader genauso möglich. Auch ein Daytrader kann in einem Markt wie Crude Oil intraday short gehen und seine Position vor dem Ende des Handelstages schließen. Shorten ist also ein wichtiger Bestandteil des Trader-Instrumentariums genauso wie Long gehen oder das Hedgen (Schützen) von Positionen.
Wie viele Trader shorten tatsächlich?
Dennoch ist die Anzahl der Trader, die tatsächlich shorten, im Vergleich zu den Käufern verschwindend gering. Es gibt keine wirklich zuverlässigen Statistiken zu diesem Thema, aber eine Untersuchung bei australischen Tradern ergab, dass nicht mal 1 % der Transaktionen auf Grund von reinen Short-Positionen durchgeführt werden. Die Zahlen für andere Länder dürften ähnlich sein. Warum ist das so?
In dieser Artikel-Reihe wollen wir dieser Frage auf den Grund gehen und untersuchen, ob die Vorstellungen, die über das Shorten kursieren, der Wirklichkeit entsprechen.