Wann sind Trading-Systeme wirklich robust? (Teil 3)
Ein ganz anderer Trader...
In dem zweiten Teil dieser Reihe haben wir einen Trader-Typus skizziert, der einen Top-Down-Ansatz für seine Strategien nutzt. Diese Methode geht deduktiv vor. Sie formuliert eine allgemeine Theorie des Marktes und versucht dieses Konzept in die Praxis umzusetzen. In diesem Artikel möchten wir einen Trader-Typus näher betrachten, der genau das Gegenteil tut. In der Sprache von Nicholas Taleb wendet dieser Trader ein Bottom-up-Verfahren an. Zu dieser Gruppe gehören Trader, die keine theoretische Ansichten über den Markt besitzen, oder sie zumindest nicht anwenden.
Keine Systematik
Die meisten diskretionären Trader gehören zu dieser Gruppe. Ihre Analyse ist oft kurz und basiert meistens auf Erfahrung im Umgang mit der Technischen Analyse. Nach einem kurzen „Check“ platzieren sie ihren Trade und beobachten dann, was geschieht. Je nach Marktlage und Volatilität beurteilen sie das Marktgeschehen immer wieder neu. Ihre Trades erscheinen dem Systematiker oft als zufällig und ohne wirkliche Begründung.
Trial and Error
Dieser Trader-Typus durchläuft oft einen jahrelangen Trial and Error-Prozess. Dieser sieht dann mehr aus wie ein Eleminieren von dem, was nicht funktioniert, als eine systematische Herangehensweise. Systematikern erscheint dies auf dem ersten Blick wie ein chaotisches Vorgehen (mit in der Tat oft chaotischen Ergebnissen). Unterschiedliche Strategien und Methoden werden erprobt und nach einiger Zeit wieder verworfen. Dem objektiven Außenstehenden kommt dies wie eine nicht enden wollende Vergeblichkeit vor.
Edison als Prototyp
In umfangreichen Versuchsreihen erarbeitet der Bottom-up-Trader seine Methoden. Die Erkenntnis, dass auch jeder Fehlschlag die Lösung näher bringt, lässt an den Erfinder der Glühlampe Thomas Edison denken. Rund 2000 Anläufe brauchte Edison, bis er den ersten Kohlefaden in einer Lampe zum Leuchten bringen konnte. Er kommentierte seine Fehlversuche mit dem Satz: „Ein Misserfolg war es nicht. Denn wenigstens kennt man jetzt 2000 Arten, wie ein Kohlefaden nicht zum Leuchten gebracht werden kann."
Domain-Expertise
Und gerade diese vielen Versuche führen bei denjenigen Tradern, die durchhalten, dazu, dass sie tiefere Domain-Expertise erlangen. Durch die vielen Fehler, die sie machen (und auch am eigenen Konto erleiden müssen) bekommen sie mit der Zeit ein Gefühl für den Markt. Ausserdem macht sie ihr Wissen über das, was in unterschiedlichen Marktphasen funktioniert und nicht robuster gegenüber unerwartete Ereignisse.
Die Römer der Börse
In Talebs Metaphorik sind sie die „Römer der Börse“. Es sind die Pragmatiker, die aus ihren Fehlern gelernt haben und dadurch „sachverständig“ geworden sind. In der Wissenschaftstheorie beschreibt man dieses Verfahren als induktiv. Aus beobachtenden Phänomenen wird auf eine allgemeinere Erkenntnis oder einen allgemeinen Begriff geschlossen. Klassisch besteht eine Induktion aus drei Schritten:
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Mustererkennung. Der Beobachter bemerkt im Strom der Wahrnehmungen Regelmäßigkeiten. „Gestern morgen ging die Sonne auf, vorgestern morgen ging die Sonne auf..“
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Begriffsbildung. Das erkannte Muster wird in einer Aussage zusammengefasst. „Jeden Morgen geht die Sonne auf.“
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Projektion. Der Beobachter dehnt die entdeckte Proposition auf nicht beobachtete Objekte aus. “ Auch morgen wird die Sonne aufgehen.“
Der Charttechniker wird in diesem Verfahren leicht sein eigenes Tun im Umgang mit Mustererkennung wiederfinden.
In dem folgenden Artikel wollen wir auf Talebs Urteil eingehen, der die Top-down-Trader als fragil, die Bottom-up-Trader dagegen als antifragil beschreibt.