Du glaubst nicht, dass deine Willenskraft ein Loser ist? Dann jetzt ein schönes Beispiel dazu. Bitte versetz dich in folgende Situation: Du hast dir zum neuen Jahr vorgenommen, dich gesünder zu ernähren und mehr Sport zu treiben. Dein freier Wille hat also beschlossen, deinem Körper damit auf doppelte Weise etwas Gutes zu tun. Am 1. Januar schläfst du deinen Kater aus, stehst auf und beginnst mit deinem “neuen Leben”. Zwar musst du dich ganz schön anstrengen, nicht den Süßkram zu essen, der noch von Weihnachten im Schrank liegt, aber du hältst es den Tag über mit gesundem Essen durch. Abends kannst du dich sogar aufraffen, eine Runde joggen zu gehen. Am 2. Januar stellst du fest, dass du neues Obst und Gemüse einkaufen müsstest, hast aber keine Lust, erst in den Supermarkt zu gehen. Da du weißt, dass noch Süßkram im Schrank liegt, machst du eine “Ausnahme”. Nachmittags lässt du dann den Besuch im Fitnessstudio sausen, da du dich wegen des ungesunden Essens schlapp fühlst. Am 3. Januar kannst du kaum noch die Energie aufbringen, um nicht an Pommes und Schnitzel zu denken, und kommst nach der Arbeit nicht mehr vom Sofa hoch. Der Trend geht ganz klar abwärts in Richtung deiner alten Gewohnheiten, die dich präzise steuern wie einen Roboter.
Was ist nun mit deinem freien Willen? Nach allem, was ich gelesen habe, läuft das Ganze wie folgt. Schlechte Gewohnheiten entstehen in sonst mental völlig gesunden Menschen, indem sie im Laufe der Zeit dieses Verhalten konditioniert, also erlernt haben, zum Beispiel durch den Einfluss von Verwandten, Freunden oder dem Lebenspartner – also letztlich durch ihr Umfeld. [2] Da du die Gewohnheiten über lange Zeit verfestigt hast, laufen sie praktisch automatisch ab. [3] Zwar kannst du kurzfristig mit massiver Willenskraft gegenhalten. Aber vor allem dann, wenn du gestresst bist und keine Zeit zum Nachdenken hast, ist es ein Leichtes für deine alten Gewohnheiten, dich zu überrumpeln.
Wie aber schaffst du es nun, das zu tun, was du mit deinem freien Willen wirklich willst? Um deine automatisierten Gewohnheiten zu unterbrechen, verändere dein Umfeld! [3] Passe es möglichst so an, dass es dir sehr leicht fällt, dein gewünschtes Verhalten Tag für Tag umzusetzen und die Dinge, die deine alten Gewohnheiten auslösen, zu beseitigen. Im Lauf der Zeit kannst du so ganz bewusst dein neues Verhalten erlernen, sodass es eines Tages ebenso automatisch abläuft. Gleichzeitig überschreibst du damit das alte “Programm” in deinem Kopf. Das Ergebnis ist eine bessere Performance deiner selbst, die sich – wenn deine neuen Gewohnheiten sinnvoll durchdacht sind – früher oder später in besseren Ergebnissen niederschlagen werden.
Wenn du also gesund essen möchtest, werd all deinen Süßkram los. Denn was nicht da ist, kannst du auch nicht “aus Versehen” essen. Ich kaufe zum Beispiel grundsätzlich keine Süßigkeiten, da ich weiß, dass ich niemals widerstehen könnte! Geh einkaufen, nachdem du dich satt gegessen hast, und nimm dir eine Liste mit gesunden Dingen mit, die zu bewusst wirklich essen möchtest. Leg zu Hause Obst und Gemüse offen auf den Tisch oder neben deinen Arbeitsplatz, damit du problemlos jederzeit zugreifen kannst. Und falls du nicht völlig auf Süßigkeiten verzichten willst, dann schaff sie zumindest so weit weg, dass du dich ganz schön anstrengen musst, um sie zu holen (Keller, Dachboden). Das wird deinen Verzehr dieser Dinge automatisch reduzieren.
Wenn du mehr Sport treiben willst, dann mach feste Termine mit deinen Freunden aus, zu denen ihr zusammen trainiert, oder noch besser: Tritt einem Verein bei. Feste Tage, feste Zeiten, und feste Strafen für Nicht-Erscheinen (zum Beispiel Monatsbeitrag des anderen bezahlen). Etwas Druck hat hier noch niemandem geschadet. Leg dir deine Trainingssachen bereits am Abend zuvor zurecht, sodass du es am nächsten Tag nicht “aus Versehen vergisst”. Im Lauf der Zeit schleifst du so die Gewohnheit in dein Gehirn ein, an Tag X um Zeit Y zum Training zu gehen – no matter what! Und wenn du mal wirklich keine Lust hast, dann sag dir folgendes: “Lieber innerer Schweinehund, jetzt erst recht. Heute zeig ich dir, wer hier der Boss ist!”
Einen Haken hat die Sache allerdings: Du musst eine Weile durchhalten, bis sich deine neue Gewohnheit leicht anfühlt! Zum Beispiel wirst du nicht von heute auf morgen aus einem müden und schlappen einen fitten und starken Körper machen können. Das Problem: Da sich der Effekt erst langfristig zeigt, ist die Versuchung groß, kurzfristig die Flinte ins Korn zu werfen, da sich scheinbar nichts Positives tut (aber du dich trotzdem anstrengen musst). [3] Tappe nicht in diese Falle! Motiviere dich statt dessen, indem du dir jedes Mal direkt nach dem Training eine Belohnung gönnst, um das neue Verhalten zu stärken (z.B. etwas Kleines kaufen oder einen guten Film schauen). [3]
Wenn es darum geht, gute Gewohnheiten zu erlernen und so deine Perfomance zu steigern – egal ob im Trading, im Sport oder sonstwo – , dann verlass dich nicht auf deine Willenskraft. Pass dein Umfeld an, brenne neue Gewohnheiten und Abläufe in dein Gehirn ein und mach es dir im Alltag leicht, dein gewünschtes Verhalten umzusetzen. Das Ergebnis ist nach Monaten und Jahren der kleinen Schritte in die richtige Richtung genau das, was sich viele wünschen und wenige erreichen: Disziplin und Erfolg. Beide sind das Ergebnis des richtigen Umfelds und der richtigen Gewohnheiten. Nicht der Wille, sondern dein Umfeld und deine Gewohnheiten versetzen Berge!
“We are what we repeatedly do. Excellence then, is not an act, but a habit.” (Aristoteles)
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Quellen:
[1] Epley, N. (2014), Mindwise: How We Understand What Others Think, Believe, Feel And Want, Penguin Books, S. 50.
[2] Selekman, M. D. / Beyebach, M. (2013), Changing Self-Destructive Habits: Pathways To Solutions With Couples And Families, Routledge Chapman & Hall, S. 12.
[3] Ouellette, J. A. / Wood, W. (1998), Habit And Intention In Everyday Life: The Multiple Processes By Which Past Behavior Predicts Future Behavior, Psychological Bulletin, Vol 124, No 1, S. 54-74.