Das profitabelste System ...
Es scheint offensichtlich, dass ein Trader sich immer für ein System entscheidet, welches am meisten erträgt. Sprich: Das System mit der höchsten Expectancy (Erwartungswert). Wenn der Trader bei jedem Trade im Durchschnitt 1 Euro riskiert aber durchschnittlich 1,5 Euro Gewinn erwarten darf, dann sprechen wir hier natürlich von einem sehr guten Trading-System. Wenn man dem Trader ein System anbietet, mit dem er durchschnittlich nur 1,20 Euro verdient, dann wird er in der Regel das erste System wählen, das mit dem höheren Erwartungswert.
Wie oft kann der Trader handeln?
Aber ist das immer der Fall? Es besteht kein Zweifel, dass ein Trader (nach Backtesting) auf die Suche gehen wird nach eine Methode oder einem Handelssystem (automatisiert oder nicht), welches ihm den höchsten Erwartungswert liefert. Aber trotzdem ist das in einigen Fällen nur die halbe Wahrheit. Da fehlt in der Rechensumme noch ein wichtiger (und oft unterschätzter) Faktor: Die Gelegenheit. Es handelt sich darum, wie oft ein Trader nach seinem System einen Trade durchführen kann. Kann der Trader nur einmal im Monat handeln ist es klar, dass die Gewinnprognose in seinem System eine entscheidende Rolle spielen muss, um profitabel zu sein. Kann einen Trader aber 100 Trades pro Tag durchführen, wie das bei manchen Scalper und Arbitrageure der Fall ist, dann kann auch ein System mit einem relativ niedrigen Erwartungswert sehr profitabel sein. Wir rechnen kurz nach:
Trader 1 (typischer Daytrader)
Dieser Trader handelt durchschnittlich 5 mal täglich. Er verfügt über eine hervorragenden Erwartungswert von 1,5 Euro Gewinn bei jedem durchgeführten Trade. Er handelt 200 Tage im Jahr.
Trader 1: 5 x 1,5 = 7,5 x 200 = 1500
Angenommen, er riskiert jedes Mal pro Trade 50 Euro dann kann er mit 50 x 1500 =75.000 Euro Gewinne pro Jahr rechnen.
Trader 2 ist ein typischer Scalper
Dieser Scalper führt durchschnittlich 100 Trades pro Tag aus. Sein Erwartungswert ist allerdings viel niedriger bei 1,1, also gerade oberhalb der 0-Schwelle. Dies scheint auf den ersten Blick kein sehr attraktives System zu sein. Aber lassen Sie uns auch die jährliche Gewinn-Prognose anschauen.
Trader 2: 100 x 1,1 = 110 x 200 = 22.000
Auch dieser Trader handelt 200 Tage im Jahr und riskiert 50 Euro pro Trade. Aber er kann dank seine hohe Tradingfrequenz mit 22.000 x 50 = 1.100.000 Euro Jahresgewinn rechnen.
Das "schlechtere System" gewinnt
Obwohl der Trader 2 ein "viel schlechteres" System hat wie Trader 1, verdient er trotzdem mehr als das vierzehnfache! Er kann deswegen maximal vom Gelegenheitsfaktor profitieren trotz der Tatsache, dass sein Erwartungswert nur leicht über Break-Even-Niveau (nämlich 1,1) liegt. Daher, wenn man nur den Erwartungswert selbst nimmt, ist es nicht ausreichend, damit die Profitabilität einer Trading-Methode zu beurteilen. Es reicht aus, dass der Scalper oder Arbitrageur nur einen marginalen Vorteil hat (hier: 1.1), um alle anderen Methoden zu schlagen.