Wann sind Trading-Systeme wirklich robust? (Teil 1)
Outside the box
In Zeiten von Flashcrashes, Franken-Schocks und Liquiditätsproblemen sogar an den liquidesten Märkten wie EUR/USD oder Bund Future muss die Frage nach der Robustheit von Trading-Systemen nochmal neu gestellt werden. Einfache Backtests, und gehen sie auch Jahrzehnte zurück, reichen nicht mehr aus um die Stabilität von Trading-Methoden zu testen. Exogene Schocks, die mit den üblichen Standardabweichungen nicht mehr zu beschreiben sind, können nur durch einen Blickwinkel „outside the box“ überhaupt wahrgenommen werden.
Bringt euch in Schwierigkeiten!
„Bringt euch in Schwierigkeiten!“. Dieser bemerkenswerte Satz, den der Trader-Philosoph Nassim Nicholas Taleb in einem Interview mit dem schweizerischen Fernsehen sagte, wollen wir zum Anlass nehmen, um über Trading nachzudenken. Natürlich, der Satz ist aus dem Kontext gerückt und muss auch verstanden werden im Gesamtschau des Talebschen Denkens. Dieser setzt sich vornehmlich mit der Frage auseinander: was ist ein antifragiles System? Antifragil deshalb, weil tatsächlich keine einzige der bekannten Sprachen ein Wort hat für die von Taleb entdeckte Kategorie der Antifragilität anzubieten scheint.
Fragil - antifragil
Zwar würden viele als Gegenteil von „fragil“ Begriffe wie „robust“, „resistent“, „widerstandsfähig“ oder auch „immun“ zur Sprache bringen. Aber für Taleb reichen diese Begriffe nicht aus, um Systeme zu beschreiben, die wirklich antifragil sind. Bezogen auf die Welt und die Finanzwelt nennt Taleb mehrere Beispiele, die den Begriff verdeutlichen. Die meisten Banken sind laut ihm – systemisch –höchst fragil. Manche Hedgefonds sind es dagegen nicht. Zentralisierte Nationalstaaten oder Verbünde (EU, US) sind höchst fragil. Ein loser Verbund von autonomen Stadtstaaten (Modell: Schweiz) sind es nicht. Markttheorien à la Markowitz sind fragil, Trading-Systeme basierend auf der Kelly-Formel nicht.
Systeme, die von Fehlern lernen
Zudem muss die Unterscheidung zwischen „robust“ und „antifragil“ scharf gezogen werden. Fragil ist, was keine Unordnung mag. Robust beschreibt Taleb als das, was sich nicht um Unordnung kümmert. Dass etwas aber von Stressoren auch profitieren kann, dafür gibt es laut Taleb kein Wort oder keinen Begriff. Wenn Dinge oder Systeme durch Unordnung, Stress (Volatilität) profitieren, oder gar von Fehlern lernen und dadurch stärker werden; dies ist Talebs Beitrag zum besseren Verstehen unserer Welt.
Robust ist nicht genug!
Jeder Flugzeugabsturz (so schlimm für die Betroffenen auch) macht das Fliegen sicherer. Die Fluggesellschaften lernen schnell aus solchen Vorfällen. Das war nach 9/11 zu beobachten aber auch nach dem „Selbstmordflug“ des Co-Piloten der Germanwings-Maschine in Südfrankreich vor wenigen Monaten. Taleb empfiehlt also nicht nach Systemen zu suchen, die sich lediglich als „robust“ oder „immun“ erweisen. Er ermuntert dazu, sich Schwierigkeiten auszusetzen, die Sie nicht umbringen. In dem Kontext muss also auch der oben erwähnte Satz verstanden werden.
Zwei Grundansätze
Systemisch gesprochen lässt sich unser Umgang mit der Welt auf zwei Grundansätze reduzieren. Sie verraten aber zugleich viel über die Art und Weise, wie wir die Welt sehen und in ihr agieren. Als Metapher dazu benutzt Taleb gern den Unterschied zwischen der griechischen und der römischen Philosophie. Das griechische Denken beschreibt Taleb eher als spekulativ. Ausgehend von einer abstrakten Idee oder einem abstrakten Prinzip versucht der griechische Denker das Funktionieren der Welt zu beschreiben Taleb nennt dies induktiv oder auch einen Top-Down-Ansatz.
Die Römer dagegen waren eher praktisch veranlagt. Sie lernten durch Trial and Error. Sie wurden stärker dank der Fehler, die sie machten. Beweis: die römischen Aquädukte stehen immer noch, während die meisten griechischen Bauten eingestürzt sind. Die Römer wandten laut Taleb einen Bottom-up-Ansatz an.
Wie diese gegensätzliche Ansätze bezogen auf Trading-Systeme viel verraten über die implizite Voraussetzungen von Tradern wollen wir in den kommenden Artikeln dieser Reihe ausarbeiten.