Der Limit-Order-Effekt

Billig kaufen, teuer verkaufen. Oder umgekehrt bei Short Trades teuer verkaufen, billig eindecken. Das ist ein Konzept, das zum Geld verdienen an der Börse ziemlich einleuchtend klingt. Dabei gibt es zwei Varianten:

● zu absolut günstigen Kursen einsteigen (Value-Ansatz)

● zu relativ günstigen Kursen innerhalb einer übergeordneten Bewegung einsteigen (Trendfolge, also teuer kaufen und teurer verkaufen bzw. billig shorten und noch billiger eindecken)

Prinzipiell ist das ein guter Ansatz. Um günstig in einen Trade zu kommen, nutzen viele Trader daher Limit-Orders. Erst, wenn der vorher definierte Limit-Kurs erreicht wird, soll die Position am Markt gehandelt werden.

Das gute an Limit-Orders ist, dass der Trader damit Geduld beweist. Denn meist handeln Trader, die mittels einer Market-Order schnell ihre Position starten möchten, impulsiv und emotional. Die mit einer Limit-Order verbundene Geduld ist dagegen ein Zeichen für strukturiertes, durchdachtes Handeln.

Natürlich kann es auch passieren, dass das Limit nicht erreicht wird. Dann muss der Trader zusehen, wie der Kurs ohne ihn in die erwartete Richtung läuft. Doch das tut der Methode keinen Abbruch. Denn in diesem Fall war eben das gewünschte Setup nicht erfüllt und man muss die nächste Gelegenheit abwarten.

Ich handle selbst oft mit Limit-Orders und habe damit gute Erfahrungen gemacht. Allerdings hat die Sache – wie so vieles im Trading – natürlich auch einen Haken. Und um den soll es heute gehen.

Das Phänomen nennt sich “Limit-Order-Effekt”. Das klingt erstmal nicht besonders aufregend. Aber es basiert auf einer eine starken Argumention, die man Trader unbedingt kennen sollte, um sich nicht leichtfertig selbst zum Opfer des Marktes zu machen.

Beschrieben wurde der Effekt in einem Paper des Forschers Juhani Linnainmaa. [1] Er zeigte, dass institutionelle Trader in bestimmten Situationen von Limit-Orders privater Trader profitieren. Vor allem bei Veröffentlichung von Unternehmenszahlen können feste Limit-Orders zum Verhängnis werden. Konkret zeigt Linnainmaa, dass Limit-Orders, die in diesen Fällen innerhalb der ersten 2 Handelsminuten ausgelöst werden, im Durchschnitt noch am gleichen Handelstag einen Verlust von satten 2,5% erzeugen.

Entscheidend ist nun, zu verstehen, warum das passiert. Angenommen, eine Aktie handelt mit niedrigen Schwankungen bei 100 Euro, sodass dieser Kurs als “fairer Preis” gilt. Einige Trader platzieren Limit-Orders, um die Aktie unter 100 Euro zu kaufen oder über 100 Euro zu verkaufen. Sie hoffen also auf Schwankungen, um so einen besseren Kurs erzielen zu können.

Nehmen wir an, dass verschiedene Trader Verkaufsorders bei 101, 102 und 103 Euro platziert haben. Kommt es nun zu zufälligen Kursschwankungen nach oben und einem anschließenden Rückgang auf 100 Euro, so profitieren diese Trader von der Bewegung. Soweit so gut.

Allerdings kann es auch anders kommen. Angenommen, es werden positive Nachrichten veröffentlicht, die schlagartig einen deutlich höheren Kurs der Aktie rechtfertigen. Professionelle Trader, die diese Nachricht sehen, werden sofort mit Market-Orders kaufen und so den Kurs relativ schnell nach oben bewegen. Dabei kommen ihnen die Limit-Verkaufsorders zu Gute. Denn diese ermöglichen es, an verschiedenen Zwischenstationen auf dem Weg nach oben weitere Aktien einzusammeln.

Jetzt ist der Vorteil der Limit-Orders plötzlich ein Nachteil. Trader, die diese Orders platziert haben und sie bei den neuen Nachrichten nicht schnell genug zurückziehen, werden nun ausgeführt. Und zwar zu Kursen, die nicht mehr attraktiv sind, weil der neue Gleichgewichtskurs der Aktie zum Beispiel 105 oder 110 Euro beträgt.

Die passive Rolle der Limit-Orders wird zum Vorteil aktiver Trader, die ständig den Markt beobachten. Der Kurs springt deshalb nicht sofort um 5 oder 10 Euro nach oben, wie es die Effizienzmarkttheorie gern hätte. Statt dessen werden die Limit-Orders auf dem Weg nach oben Stück für Stück abgefrühstückt. Und Stück für Stück läuft jede dieser Positionen direkt in den Verlust.

Das Problem: Trader, die Limit-Orders aufgeben, beobachten selten die ganze Zeit den Markt. Daher können sie leicht Opfer solcher Bewegungen werden. Später, wenn die Aktie zum Beispiel beim neuen Gleichgewichtskurs von 105 oder 110 Euro steht, sieht es dann so aus, als hätten diese Trader gegen den Trend gehandelt – was aber nicht ihre Absicht war, da sie auf Basis des alten Gleichgewichtspreises von Zufallssschwankungen profitieren wollten.

“…, we use intraday data on earnings announcements to show that institutions react to news with a flood of market orders, triggering households’ limit orders.” [1, S. 5]

“… there is no mechanical trading strategy to exploit this phenomenon: the gains go to investors who analyze news quickly and react before the others do.” [1, S. 5]

Der Limit-Order-Effekt könnte dabei helfen, die Ergebnisse anderer Studien erklären. Zum Beispiel, warum Trader tendenziell Aktien von Unternehmen verkaufen, die besser als erwartete Zahlen melden und umgekehrt. Oder warum sie vor allem Aktien handeln, die Aufmerksamkeit durch Nachrichten oder starke Preisbewegungen erregen. Es könnte sogar erklären, warum Privat-Trader dazu neigen, systematisch in die falsche Richtung zu handeln.

Für jedes dieser Phänomene könnten passive Limit-Orders die Ursache sein. Und nicht etwa absichtliches Gegentrend-Trading. Zwar ließ sich bisher nicht klar zeigen, ob es wirklich am Limit-Order-Effekt liegt. Aber er liefert einen verdammt guten Erklärungsansatz. Behalte den Effekt also immer im Hinterkopf.


Quellen:
[1] Linnainmaa, Juhani (2005), The Limit Order Effect, Working Paper, The Anderson School at UCLA.