Trading ist ein intransparentes Geschäft. Du kannst nie sicher sein, ob die Leute, die Analysen, Meinungen und Prognosen zu irgendwelchen Aktien abgeben, wirklich selbst am Markt handeln.
Viele verdienen nur als “Gurus” ihr Geld. Über den Verkauf ihrer Newsletter, zur Kundenakquise für einen Broker oder um irgendwelche Software-Pakete oder Handelsprogramme an den Mann zu bringen. So wie der Typ oben auf dem Bild, der ein Trading-Klischee erfüllen möchte, aber in Wirklichkeit nur ein cleverer Verkäufer ist.
Schon im Goldrausch im 19. Jahrhundert verdiente vor allem eine Gruppe gut: Und zwar die Hersteller der Arbeitsutensilien. Ganz ähnlich ist es im Trading. Es ist für viele das stabilere Geschäft, irgendeinen Service zu verkaufen, als sich selbst im Trading mühsam Gewinne am Markt zu erkämpfen.
Die Realität ist, dass die wenigsten Leute wirklich selbst traden. In diesem Business gibt es viele Akteure, die sich mit Dienstleistungen rund um den eigentlichen Handel über Wasser halten und selbst keine Risiken eingehen möchten. Dazu zählen übrigens auch Fondsmanager, die nur Fremdgelder verwalten und nicht selbst investiert sind.
Ich selbst kann auch noch nicht vom Trading leben und arbeite nebenher an verschiedenen Projekten. Ein Guru, der mit dem Verkauf von Diensten sein Geld verdient, könnte das aber kaum zugeben – dann würde vielleicht seine Glaubwürdigkeit infrage gestellt. Und so gibt es letztlich eine graue Masse, bei der keiner so recht weiß, wer in Wirklichkeit profitabel handeln kann und wer nur den Anschein erweckt, als ob.
Transparent wird es erst, wenn jemand seinen Track Record veröffentlicht. Wie zum Beispiel Simon Betschinger, den ich dafür sehr schätze. Auf meinem Blog möchte ich ebenfalls transparent sein und gebe meine monatlichen Renditezahlen an.
Echte, langjährige Track Records sind selten. Warum? Weil echte, überdurchschnittlich hohe Renditen bei zugleich moderatem Risiko selten sind. Denn Trading ist schwer, auch wenn das keiner hören möchte.
Deswegen ist ein Track Record der beste und einfachste Weg, sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Warum ist also nicht in jedem Buch eines “Super-Traders” gleich vorn auf der ersten Seite der phänomenale Track Record dieses Autors abgedruckt? Die Antwort zu dieser Frage kannst du dir denken.
Barry Ritholtz hat einmal schön zusammengefasst, wie man die Menschen besser verstehen kann. Er hat es vielleicht nicht ganz so ernst gemeint, aber Argument Nummer 3 erklärt meiner Meinung nach sehr vieles von dem, was in der Finanzindustrie läuft:
„3 simple rules will explain 99% of human behavior 1: Most people don’t think. 2: Some people are jerks. 3: Everyone is selling something.“ (Barry Ritholtz)
Viele Trader sind davon genervt, dass jeder nur irgendetwas verkaufen will. Keiner scheint wirklich richtig Ahnung vom Trading zu haben. Und genau daraus ergibt sich unsere heutige Frage, die wir nun endlich beantworten wollen: Ist es ein Problem, dass so viele Börsianer in Wirklichkeit überhaupt nicht selbst traden?
Die klassische Antwort eines Traders dazu: Wer nicht selbst handelt, hat keine Ahnung und sollte besser die Klappe halten, um die anderen nicht noch mehr zu verwirren. Denn für einen Außenstehenden ist die Börse ohnehin schon ein Buch mit sieben Siegeln. Und die ganzen Möchtegern-Trader machen es nur noch schlimmer, sodass sich vor lauter Chaos und Komplexität kaum noch jemand traut, seine langfristigen Investments selbst in die Hand zu nehmen.
An diesem Standpunkt ist sicherlich etwas dran. Allerdings muss man auch sehen, dass an der Börse schon immer nur sehr wenige wirklich durchgeblickt und im großen Stil profitiert haben. Analysen, Meinungen und Prognosen hat es immer schon gegeben. Genauso wie die Emotionen, allem voran die Angst.
Deswegen möchte ich dagegen halten. Ich denke, dass gute Analysen ein Mehrwert sein können, auch wenn derjenige nicht selbst handelt. Natürlich muss die Qualität passen. Die Analyse muss wirklich tiefgründig und hervorragend recherchiert sein.
Meinungen und Prognosen dagegen sind für sich genommen meist völlig wertlos. Das beste Beispiel sind die sogenannten “Crash-Propheten”, die während der letzten 5 Jahre entgegen des Aufwärtstrends immer wieder den nächsten großen Crash angekündigt haben. Gefährlich wird es meist erst dann, wenn niemand mehr davon redet und die größten Pessimisten am Ende der Aufwärtsbewegung plötzlich überraschend ins Optimisten-Lager wechseln.
Entscheidend ist also nicht, ob jemand wirklich tradet. Es geht vielmehr darum, ob jemand sinnvoll etwas beitragen kann. Ob jemand ein tiefes Verständnis für ein ganz bestimmtes Thema entwickelt und so einen Mehrwert zu bieten hat.
Denn hervorragendes Trading allein hilft niemandem. Es gibt Trader, die wirklich gut sind, aber nichts von sich hören lassen. Das wiederum finde ich wirklich schade. Einige der besten Händler schotten sich ab, um ihren Handelsansatz zu schützen.
Das führt dazu, dass es zu einer adversen Selektion kommt: Die guten steigen aus, die schlechten machen weiter (bzw. müssen weitermachen, um Geld zu verdienen). Zu jedem Zeitpunkt sind dann vorrangig diejenigen aktiv, die sich über die Medien mit mehr oder weniger sinnvollen Inhalten Gehör verschaffen möchten, um damit ihre Dienste zu bewerben.
Aber warum traden so wenige Börsianer, wenn sie sich doch eigentlich gut auskennen? Der entscheidende Grund ist wohl die Angst. Die Angst, Verluste einzufahren und im Trading nicht bestehen zu können – vielleicht das größte Hindernis überhaupt. Es ist eine Angst, die jeder hat und zu der ich noch einen separaten Beitrag schreiben werde.
Man kann es niemandem übel nehmen, aus Angst nicht zu traden. Um das zu überwinden, muss man lange und viel an sich arbeiten. Man muss lernen, permanent Unsicherheit und Risiko zu akzeptieren. Das ist eine große Herausforderung und nicht jedermanns Sache.
In Performance-Bereichen wie Leistungssport und Trading sind es immer nur wenige, die wirklich kämpfen. Wenige, die nicht aufgeben und permanent an sich arbeiten. Und wenige, die am Ende den Kuchen unter sich aufteilen. Aber es sind sehr viele, die in den ganzen Bereichen drumherum arbeiten und dort ihren Lebensunterhalt verdienen.
Denjenigen, die wirklich selbst handeln, kann diese Diskussion daher auch egal sein. Denn sie wissen, was sie tun, und warum. Und genau darum geht es: Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, statt darüber zu diskutieren, was andere tun oder nicht tun (denn darauf hat man ohnehin keinen Einfluss). Und letztlich ist es auch ein Vorteil, einer von wenigen zu sein, die Trading-Chancen für sich umsetzen können.
Die Kämpfer werden immer in der Unterzahl sein. Wie im Leistungssport ist auch im Trading der Kampf die Belohnung. Man muss es ein bisschen lieben, sich zu verausgaben, an die Grenze zu gehen, und riskante Dinge möglichst kontrolliert umzusetzen. Mann muss es lieben, sich ein bisschen zu quälen und seine Komfortzone zu verlassen. Und so permanent Dinge zu tun, die für andere im Alltag unvorstellbar sind.
“The fight is the reward.” (James Clear)