Worum es im Trading noch geht (außer ums Geld)

Es stimmt schon, beim Traden geht es in erster Linie ums Geldverdienen. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass das nicht alles ist. Manchmal kann es sogar ein Hindernis sein, wenn man sein Handelskonto als echtes Geld ansieht. Zumindest, solange man noch kein mit allen Wassern gewaschener Profi ist.

Der Grund, warum der Begriff “Geld” im Trading ein Problem sein kann, sind unsere Emotionen. Himmelhoch jauchzend und zum Tode betrübt. Das sind die Extreme, die man an der Börse erlebt. Und das ist ein Problem.

Denn dadurch, dass wir emotional reagieren, fällt es uns schwer, objektiv zu entscheiden und das Richtige zu tun. Und dabei ist es egal, ob es um positive oder negative Emotionen geht.

Beispiel 1: Himmelhoch jauchzend. In dieser Phase kann man es kaum fassen, wie gut es gerade läuft. Die positiven Emotionen nehmen überhand und man beginnt, die Dinge nicht mehr realistisch zu sehen. Gier setzt ein. Man erwartet weitere hohe Gewinne. Der Einfluss dieser Emotionen führt schnell dazu, die eigenen Handelsregeln über Bord zu werfen – und Fehler zu machen. Fehler, die bei späterer objektiver Analyse glasklar erscheinen.

Beispiel 2: Zum Tode betrübt. Wenn dagegen gerade gar nichts funktioniert und nur Verluste anfallen, kommt schnell Frustration und Resignation ins Spiel. Die emotionale Schaltzentrale im Gehirn sagt, dass die Handelsregeln nichts wert sind. Im Extremfall setzt unser Fluchtinstinkt ein und führt dazu, dass wir in Panik Positionen im ungünstigsten Moment schließen. Auch das sind Fehler, die bei späterer objektiver Analyse glasklar erscheinen.

Beide Emotions-Extreme resultieren daraus, dass wir Trading mit Geld in Verbindung bringen. Und der Gewinn oder Verlust von Geld weckt in den meisten von uns starke Emotionen, die unser rationales Denken beeinträchtigen. Der Grund dafür ist, dass wir Geld oft mit Sicherheit in Verbindung bringen – mehr Geld ist mehr Sicherheit, weniger Geld weniger Sicherheit. Gewinne lassen uns überschwänglich werden (Overconfidence), Verluste ängstlich.

Dadurch machen wir Fehler, die wir später selbst als lächerlich bezeichnen. Fehler, die nur ein Idiot machen kann. Und wenn wir emotional entscheiden, dann sind wir Idioten. Denn in diesem Zustand regiert der primitive Teil unseres Gehirns über unser Handeln, und nicht der viel bessere analytische Teil. So machen wir Fehler, die bei reinem Paper Trading niemals aufgetreten wären – weil die Emotionen dort nicht im Spiel sind, wenn nur auf einem Demokonto gehandelt wird.

Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Eine Variante ist es, Trading so weit wie möglich vom Begriff Geld zu distanzieren. Natürlich ist es am Ende Geld, mit dem gehandelt wird. Aber statt ständig mitzurechnen, was man sich vom aktuellen Gewinn alles kaufen könnte (oder auf was man beim aktuellen Verlust alles verzichten muss), ist es viel hilfreicher, das Handelskonto möglichst abstrakt zu betrachten. Den Kontostand zum Beispiel in Punkten zu sehen, wie in einem Videospiel.

Das mag nach Zocken klingen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Denn gezockt wird immer dann, wenn wir emotional handeln. Und genau das soll ja unterbunden werden, wenn es um Punkte statt Euro geht. Es soll dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und das Richtige zu tun. Es soll dabei helfen, nicht emotional zu handeln – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg.

Es dauert eine Weile, das Handelskonto mental abzuschreiben und in Punkten zu führen. Aber es ist die Mühe wert. Selbst, wenn man sich nur ein bisschen vom Begriff Geld entfernen kann, ist schon einiges getan, um die Emotionen nicht mehr so schnell aufkommen zu lassen.

Mindestens ebenso wichtig ist es natürlich, stets nur mit kleinen Positionen zu handeln. Aber dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Soweit so gut. Aber das beantwortet noch nicht unsere Ausgangsfrage: Worum geht es noch im Trading, wenn nicht nur um Geld?

Ich denke, dass es dauerhaft sehr schwer ist, nur über das Ziel “Geld verdienen” die harten Lektionen im Trading auszuhalten. Denn es wird immer wieder schwierige Zeiten geben. Um dann noch bereit zu sein, die nötige Zeit und Energie zu investieren, um weiterzumachen, braucht es noch etwas anderes.

Was ich damit meine, ist die Faszination fürs Trading. Die intellektuelle Herausforderung, an den Märkten bestehen zu können. Die Neugier, herauszufinden, wie man vorgehen muss, um an der Börse erfolgreich zu sein. Und Spaß an der permanenten Aufgabe, sich an die immer wieder verändernden Marktbedingungen anzupassen.

Und es gibt noch etwas, worum es im Trading geht: Persönliche Entwicklung. Mit jedem Gewinn und Verlust auf der Trading-Reise entwickelt man sich weiter. Die Börse ist ein Instrument, um uns im Lauf der Zeit bescheidener werden zu lassen. Und es ist ein Instrument, das uns hilft, die Dinge zu schätzen, die wir im Leben neben unserer Karriere noch besitzen. Und das ist eine ganze Menge.

Geld dagegen ist nur Mittel zum Zweck. Lass dich davon nicht beherrschen.

“The stock market is man’s invention that has humbled him the most.” (Alan Shaw)