Das Chance-Risiko-Verhältnis (CRV) richtig verstehen (Teil 4)
CRV verschlechtert bei Gewinn-Trades
Bislang haben wir das Chance-Risiko-Verhältnis als eine statische Begebenheit betrachtet. Das CRV wird in dem Fall von der Ausgangsposition eines Trades gesehen. Nun sind laufende Trades ganz und gar nicht statisch sondern höchst dynamische Prozesse, die manchmal schwer zu steuern sind. Sobald die Position im Markt ist, beginnt sich das Chance-Risiko-verhältnis zu verändern. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Trade sich zugunsten des Traders entwickelt. Dieses Szenario ist gewiss das erwünschte, aber je mehr sich der Markt dem Kursziel nähert, verschlechtert sich das CRV.
Gewinne vorzeitig realisieren?
Jeder Trader mit etwas Erfahrung kennt diese Situation. Der Trade ist gut gelaufen und nur noch ein wenig vom Kursziel entfernt. Soll er nun den Gewinn mitnehmen um nicht das Risiko einzugehen, dass er ihn wieder an den Markt abgeben muss? Oder soll er den Trade weiter laufen lassen, die Stop-Loss-Order aber näher an den aktuellen Preis heranschieben?
EUR/USD, Stunden Chart
Um die Problematik zu verdeutlichen, wählen wir ein Beispiel im EUR/USD Stunden-Chart. Der EUR/USD ist in den letzten Stunden von 1,13 auf 1,12 gefallen. Der Trader geht von einer Bodenbildung um das 1,12-Level aus und setzt darauf, dass sich das Paar wieder in Richtung 1,13 (grüne Linie oben) bewegen wird. Wenn er bei 1,12 kauft (grüne Linie Mitte), ist sein Kursziel somit exakt 100 Pips entfernt. Damit er wenigstens ein CRV von 1:2 bekommt, setzt er eine Stop-Loss-Order 50 Pips tiefer, auf 1,1150 (rote Linie). Dies ist die Ausgangssituation des Trades, die exakt einem Chance-Risiko-Verhältnis von 1:2 entspricht.
EUR/USD, Stundenchart
Einige Stunden später hat sich der EUR/USD tatsächlich in die gewünschte Richtung entwickelt. Der Kurs hat schon mal das Level 1,1250 berührt (blaue Linie), steht aber real bei 1,1237. Da die Stop-Loss-Order nach wie vor auf 1,1150 steht, hat sich nun auch das CRV verändert. Das reale Risiko liegt nun bei 87 Pips (vom jetzigen Preis aus gedacht), während die Chance bei 63 Pips liegt (aktueller Abstand zum Kursziel 1,13). Das Chance-Risiko-Verhältnis liegt demnach aktuell bei 1:0,72. Dies ist ein bedeutend schlechteres CRV als bei der Ausgangslage.
Die Frage, die sich jeder Trader an dieser Stelle stellen muss, lautet: würde ich diesen Trade mit einem solchen CRV eingehen? Die ehrliche Antwort müsste demnach lauten: nein. Eine Massnahme ist also erforderlich, um das CRV wieder zu verbessern. Der Trader kann an dieser Stelle den Trade schliessen, aber dadurch würde er ein sehr schlechtes CRV in Kauf nehmen. Oder er kann das Risiko minimieren.
EUR/USD, Stundenchart
In diesem Fall hat sich der Trader für eine Reduzierung des Risikos entschieden und den Trade weiter laufen lassen, wie wir sehen mit Erfolg. Der EUR/USD ist weiter gestiegen. An dieser Stelle hat der Trader die Stop-Loss-Order auf 1,1230 gesetzt (rote Linie unten). Der aktuelle preis ist 1,1270. Der EUR/USD ist also jetzt nur noch 30 Pips von dem Ziel entfernt. Das CRV hat sich wieder verändert: 1:0,75 (40 Pips Risiko / 30 Pips Chance). Dies ist zwar auch nicht berauschend, denn der Trader kann immerhin noch 40 Pips verlieren und nur 30 Pips dazugewinnen.
Fazit
Das Chance- Risiko-Verhältnis ist keine statische Gegebenheit sondern eine äussert dynamische Kennziffer, die sich während eines Trades permanent verändert. Das CRV verlangt vom Trader eine fortwährende Justierung des Trade-Managements, um die Chancen zu seinen Gunsten zu verbessern.