Traden mit kleinen Kurszielen (Teil 2)
Hohe CRVs gut für Trendmärkte
In Trendmärkten funktionieren bekanntermaßen Trading-Strategien besser, die auf Trends setzen. Es ist nur natürlich, dass ein Trader in diesem Umfeld versucht, größere Gewinne zu erzielen. Das Verhältnis zwischen Risiko und Gewinn sollte von daher den Schwerpunkt auf die Gewinn-Seite legen, da nun mal größere Gewinne zu erwarten sind. Zum Beispiel könnte ein Trader versuchen 15 Punkte zu gewinnen und dafür lediglich 5 Punkte Risiko in Kauf zu nehmen. In der Trader-Sprache heisst dies, er handelt mit einem Chance-Risiko-Verhältnis (CRV) von 1:3.
Macht er 100 Trades und gewinnt nur 25 Mal, dann sieht die Rechnung so aus:
25 Gewinner x 15 = 375 Punkte
75 Verlierer x 5 = 375 Punkte
In diesem Fall würde er mit einer Trefferquote von etwas über 25 % bereits Gewinn erzielen.
Märkte meist in Mean Reverting-Modus
Das Problem ist nun, dass sich die meisten Märkte mehrheitlich nicht in Trend-Modus befinden. Sie sind zu 70-80 % der Zeit Mean Reverting Markets. Das bedeutet, dass es in dieser Periode zwar Übertreibungen gibt, diese aber vom Markt früher oder später korrigiert werden. Hier auf größere Trends zu setzen, ist oft eine frustrierende Strategie. Entweder bleiben diese aus, oder sie werden von fortwährenden Pullbacks in ihrem Lauf gestört. Deswegen ist es in diesem Marktumfeld klüger, kleinere Kursziele zu wählen.
Ironischerweise ist dies aber nicht das Ziel der allermeisten Strategien. Fast alle propagieren CRVs von 1:2 oder gar 1:3, egal in welchem Modus sich der Markt befindet. Weil sich ein „gutes CRV“ logisch und rational anhört, wählen die meisten Trader für diese Variante. Die Frage ist aber, ob sie in einem Mean Reverting-Marktumfeld auch die realistische Variante ist.
Kleine Kursziele erzeugen Dynamik
Wer dagegen nur mit einem kleinen Kursziel arbeitet, das auch automatisiert sofort ausgeführt wird, wird natürlich auch viel schneller und eher das Kursziel erreichen. Ausserdem spielt die Komponente „Zeit“ auch eine Rolle. Da kleine Kursziele schneller erreicht werden, sind die Trades kürzer. Dies bedeutet, dass ein solches System naturgemäß mehr Trades produzieren wird als ein System, das auf größere Kursziele setzt. Infolgedessen entsteht für den Trader eine gewisse Dynamik, die nahe an die eines Scalpers herankommt.
Die Rechnung sieht dann eher so aus:
CRV 1:1
Gewinn 5 Punkte, Verlust 5 Punkte
50 Verlierer x 5 = 250
50 Gewinner x 5 = 250
Der Trader müsste also eine Trefferquote von etwas über 50% erreichen, um profitabel traden zu können. Interessanterweise ist eine solche Trefferquote mit einem kleinen Kursziel viel einfacher zu erreichen als mit einem größeren Kursziel. Dennoch wird das Mantra des höheren CRV allenthalben weiter gesungen. Es wird meist mit einem rationalen Risikomanagement erklärt und leuchtet natürlich jedem Laien sofort ein.
Hohe CRVs in der Praxis schwer umzusetzen
Das Problem ist nur, dass dieses Modell in der Praxis sehr schwer umzusetzen ist, weshalb die meisten Trader, die dieses Modell anwenden, scheitern. Dass es auch anders kann – obwohl dies auf dem ersten Blick kontraintuitiv erscheint – möchten wir in den kommenden Artikeln anhand einiger speziell dafür designte Strategien illustrieren.